Dass sich in Düsseldorf eine der wichtigsten Quellen der elektronischen Musik befand, ist aktuell noch immer ein Geheimtipp. Kaum einer weiß aus welcher Stadt Bands wie DAF, Neu!, Kraftwerk, Die Krupps, Rheingold, uvm. kommen und welcher Hexenkessel Düsseldorf zur Zeit der ersten großen elektronischen Klänge war. Das kann sich jetzt aber ändern. In den letzten 2 Jahren entstand der trimediale Begriff ELECTRI_CITY. Zwei Compilations wurden bereits veröffentlicht. Dazu das entscheidende Werk „ELECTRI_CITY“ von Rüdiger Esch, dass als Oral History die Zeiten des elektronischen Düsseldorfs mitreisend auferstehen lässt. Als drittes Medium fügt sich dann noch die „ELECTRI_CITY Conference“ ein. Diese geht schon in die zweite Runde und steigerte sich in diesem Jahr so weit, dass Jean-Michel Jarre nicht nur eines seiner begehrten Konzerte in Düsseldorf gibt, sondern auch noch für eine Podiumsdiskussion zur Verfügung steht.
Das alles ist schon viel und auf dem besten Wege, ein Stück Identität nach Düsseldorf zurückzubringen. Wenn sich diese Identität festigt, werden bald viel mehr Menschen wissen, was Düsseldorf mit elektronischer Musik zu tun hatte und hat. Genau an dieser Stelle steht dann der Medienkomplex ELECTRI_CITY. Er hat sich in der Szene als Begriff gefestigt und kann mit seinen Formaten der Ausprägung des elektronischen Düsseldorfs viel mehr Kraft geben, als das eine einzige Band jemals könnte. Neue wegweisende elektronische Bands können wieder entstehen. Vielleicht sogar ein neuer elektronischer Blizzard, der mit den neuen Möglichkeiten noch wilder, ungezügelter und künstlerischer tobt.
Die Herstellung der digitalen Musik ist inzwischen kein so kompliziertes Handwerk mehr wie damals. Die Techniken sind in Hülle und Fülle vorhanden und können spielerisch – auch mit visuellen Elementen – verbunden werden. Allerdings hat die Kreativität im Vergleich zu damals gelitten. Auf einer neuen elektrifizierten Erde in der ELECTRI_CITY könnten hier aber wieder starke elektronische Musikmasten in die Cloud wachsen.
Das wären die verlockenden Möglichkeiten. Entscheiden wird es am Ende aber Düsseldorf selbst. Wieviel Platz gibt es der neuen Identität und gehen die Menschen offen auf diese neue Entwicklung zu. Das alles wird über den Fortbestand der ELECTRI_CITY entscheiden und vielleicht sogar wieder eine weitere „German Wave“ auslösen. Um mehr darüber zu erfahren haben wir ein Interview mit Rüdiger Esch geführt um tiefer zu ergründen was sich in der ELECTR_CITY verbirgt.
Redaktion: Herr Esch, vielen Dank für das Interview so kurz vor der „ELECTRI_CITY Conference“. Wie stark stehen sie gerade unter Strom.
Esch: Die ELECTRI_CITY Conference hat eine lange Vorbereitungszeit, weil so viele Künstler zusammengebracht werden müssen. Trotzdem wird es am Ende immer noch sehr stressig, da jetzt alles auf den Punkt kommt. Es motiviert aber, dass die Künstler die Conference jetzt kennen und somit viel leichter zusagen.
Redaktion: Viele kennen sich ja persönlich. Ist das ein weiterer Grund dafür, dass die Conference so gut angenommen wird.
Esch: Man kommt einfach noch lieber zu einem Event, wenn man viele Bekannte oder sogar Freunde dort trifft. Das macht auch die Conference aus, dass hier der gemeinsame Spirit immer wieder durchscheint und vom Publikum wahrgenommen wird. Dadurch wird alles intensiver und persönlicher.
Redaktion: Intensiv war ja auch die Zeit von 1970 bis 1986. Haben Sie deshalb den Stil der Oral History für ihr Buch „ELECTRI_CITY“ gewählt und was bedeutet dieser Stil für sie.
- Esch: Ich wollte von Anfang an nicht ein klassisches Buch über das Thema schreiben, da es dem Inhalt sonst nicht gerecht wird. Oral History ist für mich, dass die Künstler zu Wort kommen und sich sozusagen im Buch unterhalten. Obwohl diese Gespräche natürlich so nie stattgefunden haben, sind viele Inhalte direkte Aussagen der Künstler. Ist das Gespräch interessant, so bleibt der Leser dran. Wenn nicht, dann wählt er einfach ein anderes Jahr und lauscht dort den Gesprächen. Das ist sehr lebendig und entspricht dem damaligen Flair. In Düsseldorf war sehr viel neu und die Form der Oral History ist auch jetzt wieder neu.
Redaktion: Viel es Ihnen somit leicht das Buch zu schreiben.
- Esch: Nein das war alles andere als leicht. Diese ganzen Individuen zu einem Guss zusammenzubekommen war wie ein riesiges Puzzle. Da tüftelt man schon ganz schön. Vor kurzem habe ich es mit einem befreundeten Musiker auch ins Englische übersetzt, was nochmal eine große Anstrengung war. Aber jetzt erscheint es in England mit meinem Wunschcover und das macht mich sehr stolz.
Redaktion: Der dritte Teil der ELECTRI_CITY sind ja die Compilations der elektronischen Musik aus Düsseldorf. Schlagen die Sampler auch bei den Jungen ein oder sind sie eher etwas für diejenigen, die sie noch aus der Zeit direkt kennen.
Esch: Die Compilations werden durch alle Altersgruppen gut verkauft. Es ist Sound, der auch heute noch sehr gut funktioniert. Manchmal glaubt man kaum, dass der Sound schon über 30 Jahre alt ist, so neu und aktuell klingt er. Das inspiriert anscheinend alle Generationen.
Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch Herr Esch und viel Erfolg bei der diesjährigen ELECTRI_CITY Conference
Rüdiger Esch ist Bassist der Gruppe „Die Krupps“ und Kernzelle der ELECTRI-CITY.
Die ELECTRI_CITY Conference findet am 14/15.Oktober in Düsseldorf statt. Dazu kommt das Konzert von Jean-Michel Jarre am 22. Oktober in Düsseldorf.