The French Dispatch

Regie: Wes Anderson


Darsteller: Benicio Del Toro, Adrien Brody, Tilda Swinton, Léa Seydoux, Frances McDormand, Timothée Chalamet, Lyna Khoudri, Jeffrey Wright, Mathieu Amalric, Stephen Park, Bill Murray, Owen Wilson, Christoph Waltz, Edward Norton, Jason Schwartzman, Anjelica Huston


Kinostart 21.10.2021

THE FRENCH DISPATCH. Photo Courtesy of Searchlight Pictures. © 2020 Twentieth Century Fox Film Corporation All Rights Reserved

THE FRENCH DISPATCH erweckt eine Sammlung von Geschichten aus der letzten Ausgabe einer amerikanischen Zeitschrift zu Leben, welche in einer fiktiven französischen Stadt im 20. Jahrhundert erscheint. Für die Idee, einige Geschichten und die Regie zeichnet Wes Anderson verantwortlich. Schon von der ersten Sekunde des Films ist seine Handschrift spürbar.

(From L-R): Elisabeth Moss, Owen Wilson, Tilda Swinton, Fisher Stevens and Griffin Dunne in the film THE FRENCH DISPATCH. Photo Courtesy of Searchlight Pictures. © 2020 Twentieth Century Fox Film Corporation All Rights Reserved

So ist das Format ab Start ungewöhnlich. Eben nicht Cinemascope sondern quadratisch. So wie schon dadurch unsere Sichtgewohnheit irritiert ist, so geht es im Film dauernd fort. Die Kamera ist öfter fixiert und wie in einem Wimmelbild bewegen sich die Schauspieler im Raum. Ungewöhnliche Perspektiven und Ansichten prasseln aufeinander. In all dem werden die außergewöhnlichen Geschichten erzählt und lassen uns atemlos zurück.

Noch lange nach dem Film tauchen die intensiven Bilder immer wieder vor unserem geistigem Auge auf. Ungefragt, aber inspirierend. Das Wes Anderson wie schon so oft auf einen phantastischen Cast zurückgreifen kann ist ein Segen. Denn dadurch werden die Geschichten noch greifbarer, echter und intensiver. Alles wird aber durchzogen vom Geist von Bill Murray dem Chefredakteur.

(From L-R): Bill Murray, Wally Wolodarsky and Jeffrey Wright in the film THE FRENCH DISPATCH. Photo Courtesy of Searchlight Pictures. © 2021 20th Century Studios All Rights Reserved

Er gibt den Rahmen vor, legt die entscheidenden Weichen um und nimmt Textpassagen – immer in Abstimmung mit den Redakteuren – rein oder raus. Dazu sorgt er sich um seinen kreativen Stab und hat diesen auch handverlesen. Selbst der Kellner der jeden Tag die Bestellungen von der Bar bis in den 4ten Stock bringt wird in den kreativen Prozess mit eingebunden.

Bill Murray and Pablo Pauly in the film THE FRENCH DISPATCH. Photo Courtesy of Searchlight Pictures. © 2020 Twentieth Century Fox Film Corporation All Rights Reserved

Am Ende wünscht man sich, dass es „The French Dispatch“ wirklich gegeben hätte und man jeden Monat einen solchen Film sehen kann. Was für ein Fest, aber vermutlich bleibt auch „The French Dispatch“ wieder einzigartig, wie so viele Filme von Wes Anderson.

“The French Dispatch” Red Carpet – The 74th Annual Cannes Film Festival CANNES, FRANCE – JULY 12: [ Wes Anderson, Mathieu Amalric, Bill Murray, Tilda Swinton, Timothée Chalamet, Adrien Brody, Lyna Khoudri, Hippolyte Girardot, Owen Wilson, Alexandre Desplat, Benicio del Toro, ] attends the “The French Dispatch” Screening during the 74th annual Cannes Film Festival on July 12, 2021 in Cannes, France. (Photo by Serge Arnal For Disney Studios) *** Cannes***

Contra – Sprachexplosionen

Kinostart: 28.10.2021

Regie: Sönke Wortmann

Darsteller: Nilam Farooq, Christoph Maria Herbst, Hassan Akkouch, Ernst Stötzner

„Klarheit in der Sprache ich das höchste Gut. Ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg“ (Element of Crime)

Diese Zitat beschreibt genau, wie sich Naima in ihrer hart erarbeiteten ersten Lesung in der juristischen deutschen Fakultät in Frankfurt fühlt. Sie kommt zu spät in den voll besetzten Hörsaal und der Professor nimmt sie vor versammelter Mannschaft auseinander. Zu ihrem zweischneidigem Glück mit Aussagen, welche auch als rassistisch ausgelegt werden können und schon nimmt der Film Fahrt auf. Ein Shitstorm gegen den Professor geht steil und ein Disziplinarverfahren droht ihm nicht mehr wie bisher, sondern ist in einer Monatsfrist festgesetzt. Der einzige Strohhalm der ihm gereicht wird ist, dass er Naima für den hochkarätigen deutschen juristischen Debatierwettbewerb fit macht.

Somit ist das Spielfeld definiert. Was aber nun geschieht ist zeitlos. Um die Größe dieses Films zu erkennen muss man wissen, dass er auf einem sehr erfolgreichem französischem Drehbuch basiert: „Le Brio“. Dies hat zur Folge dass die Debatten sehr ausgefeilt und nach ALLEN REGELN DER KUNST perfektioniert wurden. Dies ist die solide Basis des Films und auf dieser wächst er langsam aber unaufhaltsam empor.

Christoph Maria Herbst hat ja sein Können schon oft in Filmen eingesetzt, aber noch nie hat er es so gekonnt exhibitionistisch zur Schau gestellt. Er riskiert sich hierbei im großen Stil, aber davor hatte er noch nie Angst. Dieser Film ist ein offzielles Bewerbungsvideo für die Aufnahme als Ehrenprofessor in die juristische Fakultät in Frankfurt und wird einen massiven Anmeldungssturm auf diese Fakultät zur Folge haben.

Prof. Dr. Richard Pohl ist die perfekte Wand gegen die Naima (Nilam Farooq) immer wieder läuft. Dabei schärft sie sich und ihre Sprache. Sie entwickelt sich und ist aber – zum Gegenbild zum Professor – ein Mensch und keine Maschine. Es ist faszinierend zu sehen, wie diese Menschlichkeit an dem perfekten Professor nagt. Er wird gleichzeitig zum übermächtigem Lehrmeister als auch zum kleine Schüler der Menschlichkeit.

Das alles bewegt uns als Zuschauer in einer Art, die wir wohl noch selten mit exkat Null Spezialeffekten im Kino erlebt haben. Wir erleben die Größe, Verletzlichkeit, Zartheit, Gewalt und Verführung der (in diesem Fall deutschen) Sprache. Dieser Film wird von jedem eine andere Reaktion hervorrufen, aber sicher NIEMANDEN unberührt lassen.